Um die Oberschule in unserer Samtgemeinde haben wir Jesteburger lange gekämpft. In diesem Jahr kann sie schon ihr 10-jähriges Jubiläum feiern.

Allerdings sind auch bei Erfolgsmodellen mit der Zeit Reformen und Verbesserungen notwendig. So hatte der Kreistag in seiner Sitzung im März diesen Jahres den Antrag der CDU/FDP- Gruppe angenommen, um bei der Landesregierung den Antrag zu stellen, dass die Jesteburger Oberschule zu einer Modellschule mit Oberstufe weiterentwickelt wird, denn der Übergang in die Oberstufe (die bisher in Jesteburg nicht angeboten wird) hat sich in der Vergangenheit als schwierig herausgestellt.

Ziel sollte es sein, dass auch in Jesteburg eine Oberstufe angeboten wird, damit unsere Schüler auch hier vor Ort die Möglichkeit haben, das Abitur machen zu können. Leider hat das Kultusministerium nun zunächst eine Absage an den beantragten Modellversuch mit Oberstufe erteilt.

Diese Absage wird nun natürlich eingehend geprüft, in der CDU-Kreistagsfraktion, aber auch von der Schulleitung und der Schul-Ini, deren Stellungnahme Sie im Folgenden lesen können:

Lösungsvorschlag abgelehnt – Problemstellung und Handlungsnotwendigkeit bleiben

Mit großem Bedauern haben wir als ‚Schulinitiative Jesteburg‘ die Absage für den Modellversuch zur Kenntnis genommen. Damit droht den Schülerinnen und Schülern auch in den Folgejahren weiterhin ein Mangel an wohnortnahen allgemeinbildenden Oberstufenplätzen, auf die sie laut Schulgesetz einen Rechtsanspruch haben. In den vergangenen Jahren waren Anmeldungen qualifizierter Schülerinnen und Schüler für die Oberstufe zu Dutzenden im Umland regelmäßig abgelehnt worden, weil nicht ausreichend Plätze zur Verfügung standen.

Nach der Absage des Modellversuchs, der die Einrichtung einer eigenen Oberstufe und damit die Erschaffung dringend benötigter weiterer Plätze an der Oberschule Jesteburg mit gymnasialem Angebot zum Ziel hatte, steht nun wieder der Schulträger – sprich der Landkreis – in der Pflicht. Ein fortgesetztes ins-Leere-laufen-lassen von qualifizierten Schülerinnen und Schülern nach Klasse 10 wäre nach unserer Einschätzung ein bildungspolitisches Desaster. Als mögliche Sofortmaßnahme möchten wir für die dauerhafte Einrichtung des 5. Zuges in der Oberstufe der IGS Seevetal – wie bereits für das Schuljahr 2022/2023 aufgrund der fehlen Plätze kurzfristig entschieden – und eine entsprechende Kooperation der beiden Schulen plädieren.

Sehr bedauerlich ist die Absage auch für die engagierte Oberschule. Seit Jahren bemüht sich das Schulteam darum, auch das Abitur anbieten zu können. Und obwohl die Schule seit Jahren Auszeichnungen erhält und sich ua durch die Kooperation mit der Leuphana-Universität hervorhebt, hat das Kultusministerium nach unserer Kenntnis nicht den direkten Kontakt gesucht – nach dem Motto „eine so engagierte und ehrgeizige Schule, das gucken wir uns mal an“. Stattdessen Ablehnung Modellversuch nach Schema F, weil es so im Gesetz nicht vorgesehen sei …aber genau deswegen gibt es doch es den Paragrafen zum „Modellversuch“?

Auch für die Sicherung des Schulstandortes in der Samtgemeinde Jesteburg wird die Absage zu einer möglichen Belastung. Wenn sich anmeldende Eltern nicht sicher sein können, ob ihr Kind reibungslos in die Oberstufe aufgenommen werden kann, werden sich einige trotz der guten Bildungsarbeit vor Ort eventuell anders orientieren. Auch zur Sicherung des Schulstandortes werden wir weiterhin parteiübergreifend und gemeinsam mit der Samtgemeindebürgermeisterin, Frau Claudia von Ascheraden, zusammenarbeiten.

Wenn das Wochenblatt bereits im April aus dem Kultusministerium erfahren hat, dass der Modellversuch nicht genehmigt wird, dann steckt vor allem eine politische Entscheidung dahinter. Das Gute daran: Politische Haltungen können sich verändern. Dazu möchten wir gerne als Schulinitiative mit Sacharbeit und unserem Engagement beitragen, mit dem Ziel, dass sich Kinder auch im Landkreis Harburg künftig nicht mehr fragen müssen: „Bekomme ich hier einen Platz in der Oberstufe? Oder werde ich abgelehnt?“

Nach unserer Auffassung ‚muss nicht jedes Kind Abitur machen‘, aber jedes Kind, das sich dafür qualifiziert hat und gerne das Abi machen möchte, MUSS die Chance dazu haben: Wohnortnah und in einer allgemeinbildenden Oberstufe, wie vom Gesetzgeber vorgesehen.

Für den Hintergrund ein paar aufschlussreiche Zahlen zum Vergleich: Im benachbarten Hamburg absolvieren seit 2010 im Schnitt etwa 55 Prozent aller Schulabgänger:innen die Allgemeine Hochschulreife. Direkt nebenan, im Landkreis Harburg , sind es lediglich gut 36 Prozent (Quelle: Regionalmonitoring Niedersachsen https://www.regionalmonitoring-statistik.niedersachsen.de/index.html ) im Durschnitt. Das bedeutet eine Diskrepanz von fast 20 Prozentpunkten, in der Metropolregion Hamburg! Woran liegt es, dass hier nur gut ein Drittel das deutschlandweite Zentral-Abitur machen kann, in Hamburg jedoch mehr als die Hälfte der jungen Menschen mit dem bestmöglichen Schulabschluss ins weitere Leben starten? Welche Rolle spielen dabei Schulangebot und Schulstruktur? Besteht ein Zusammenhang mit den fehlenden Schulplätzen, beispielsweise an den beliebten IGSen? Und mal etwas plakativ ausgedrückt: ‚Weniger schlau‘ sind die Landkreiskinder ganz sicher nicht.

Hinsichtlich der großen Diskrepanz zwischen dem Anteil der Abiturient:innen in Hamburg und im Landkreis Harburg stellen wir die Frage, was diese ‚Bildungsungerechtigkeit‘ und ungleiche Lebenschancen beseitigen kann. Das zweigliedrige Schulsystem in der Hansestadt, bestehend aus Gymnasien und Stadtteilschulen (vergleichbar mit IGSen), ist ganz offensichtlich ein großer Bildungserfolg. Wenn es – wie im Landkreis Harburg – nur wenige IGSen gibt und ein Teil der niedersächsischen Oberschulen ebenfalls Oberstufen anbieten könnten, wie im Jesteburger Modellversuch vorgesehen, dann könnten sich die Bildungschancen auch in Niedersachsen verbessern. Hierzu möchten wir uns gerne direkt an das Kultusministerium wenden und auch die Absage des Schulversuchs prüfen lassen.

Und Ja, es stimmt, im ländlichen Raum ist die Abiturquote üblicherweise geringer als in Großstädten. Was zum Teil auch an anderen Prioritäten liegt. Unser Punkt ist hier, dass Schülerinnen und Schüler bei uns im Umland nach ihrer Anmeldung abgelehnt werden, weil eben nicht ausreichend Plätze zur Verfügung stehen. Das sollte der Modellversuch – wenigstens zu einem Teil – heilen.